Auf ein Wort Schriftzug

Auf ein Wort #31

ICH VERSTEHE ES NICHT!

von Irmgard Clausen

Was ist für Sie schön in einer Stadt?

Für mich ist es das Ambiente: gepflegte Häuser, einladende Plätze, hübsche Cafés, nette Geschäfte, freundliche Restaurants. Ich mag auf ordentlichen Straßen und in verwinkelten Gassen bummeln, suche mir ein schönes Plätzchen im Park oder schaue im historischen Gemäuer Kunst von gestern und heute an.

Noch wichtiger und schöner sind mir allerdings die Begegnungen mit den Menschen der Stadt. Ich freue mich, wenn meine Apothekerin weiß, was ich brauche. Ich genieße es, wenn mir die Eisverkäuferin eine neue Eiskreation lecker macht. Es ist wunderbar, samstags auf dem Markt da unser Gemüse, dort unsere Pflanzen, hier die Blumen der Saison zu kaufen. Ich sehe buntes Volk auf dem Platz, treffe unverhofft und zufällig auf Lieblingsmenschen. Ich komme mit Passanten und Gästen der Stadt ins Gespräch, rede übers Wetter, parliere über den Moment und stärke mich mit einer Bratwurst. Schön durchgebraten. Mit Senf.

Spätestens jetzt wissen Sie, liebe Leser, dass wir in Coburg sind. Meine wundervolle Stadt, in der es sich gut leben lässt, in der ich nahezu alles finde, was ich brauche, suche, möchte.

Was gibt es da nicht zu verstehen?

Ich verstehe nicht, dass „wir“ dem Einzelhandel unserer Stadt, den vielen Geschäften, Cafés und Gasthäusern so wenig Sympathie und Interesse entgegenbringen. Frage ich, wo jemand dies oder jenes gekauft hat, bekomme ich in 80 % der Fälle die Antwort: „Im Internet natürlich! In Coburg kriegst Du ja nix mehr.“ „Hast du es denn versucht?“ frage ich mein Gegenüber. Natürlich nicht!

Ich verstehe nicht, warum ich Bücher im Internet kaufen soll, wenn Buchhandlungen rundum jedes neue Buch zum gesetzlich festgelegten Ladenpreis verkaufen – wie im Internet. Warum soll ich Medizin im Internet bestellen, wenn mir meine Apotheke vor Ort alles sofort aushändigt oder schnellstens bestellt und liefert? Warum soll ich einen Pakete-Tourismus unterstützen, der auf dem Rücken bedauernswerter Paketboten ausgetragen wird? Und warum soll ich Päckchen mit Waren bekommen, die mir dann gar nicht taugen und die ich dann wieder zur Post bringen muss? Dort stehe ich dann in einer langen Reihe Menschen, die ihre Zeit damit verbringen, Pakete abzuholen oder wieder retour zu schicken…

Handel – das ist Leben, ist Interesse, Service, Anregung, Tradition und Wandel. Gastronomie und Handel knüpfen ein zartes Geflecht aus Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft , Ordnung, Verbundenheit, Identität und Zuhause sein. Das macht das Leben lebenswert. Es wäre schade, wenn wir dieses Geflecht unbedacht zerstören. Verstehen Sie?

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