Mach doch mal – Interview mit Laura Winterling
Laura Winterling hat für sich die richtige Entscheidung getroff en: Die 39-jährige war von 2008 bis 2016 als Astronauten-Instruktorin tätig. Sie hat Raumfahrern wie Sunita Williams oder Alexander Gerst auf ihre Mission auf der Raumstation ISS vorbereitet. Inzwischen ist die gebürtige Fränkin selbstständig und bringt ihr Wissen aus dem „ALL-Tag“ in ihre Vorträge ein. Der COBURGER hat sie im Kongresshaus Rosengarten getroff en, wo sie über 800 Schülerinnen, Schüler und Auszubildende inspirierte und motivierte.
COBURGER: Mal in Klischees gefragt, Raumfahrt ist doch eher ein Thema für Jungs. Wie kamen Sie dazu?
Laura Winterling: Ich hatte keine Vorbilder, also diese typischen „role models“, die gab es nicht. Ich fand es einfach supercool, dass es Menschen gibt, die sich einen Anzug anziehen, einen Helm aufsetzen und mit Raketen ins All fliegen. Das war das i-Tüpfelchen von allen Abenteuern, die man so machen konnte. Das wollte ich auch machen.
COBURGER: Heute bringen Sie Ihr Wissen in Ihre Vorträge ein. Was können wir von der Raumfahrt lernen, wenn es um Entscheidungen geht?
Winterling: Das Thema bemannte Raumfahrt in Verbindung mit Entscheidungsfindung ist so mannigfaltig, dass man Tage darüber sinnieren könnte. Wenn es um Astronauten auf Missionen im Weltall geht, dann geht es immer um Menschen. Und wenn Menschen zusammenarbeiten müssen, dann müssen sie sich erst einmal selber verstehen. Sie müssen herausfinden, für was sie gut geeignet sind und wo ihre Schwächen und Stärken liegen. Das heißt, man muss sich erst einmal mit sich selber auseinandersetzen, um irgendwann mal eine Entscheidung zu treffen.
COBURGER: Wie haben Sie ihr Ziel erreicht? War Ihr Weg immer geradlinig?
Winterling: Natürlich war auch mein Weg nicht geradlinig, wie bei keinem wahrscheinlich. Rückblickend gibt es eine Reihe an Dominosteinen, die irgendwann angefangen haben, umzufallen. Anscheinend standen die alle schon in Reih’ und Glied. Von daher könnte man denken, es war eine Reihe, ein Plan, völlig geradlinig und es musste so kommen. Aber: Es musste ja erst einmal der erste Stein umfallen und dann musste der Stein genügend Schwung haben, um den zweiten mitzureißen.
COBURGER: Wie sah das aus?
Winterling: Das kam etappenweise: Ich gehe nach meinem Abi nach Florida und schaue mir Space Shuttle Stars an, dann fange ich an Physik zu studieren. Und: achso, die Raumfahrt kommt immer wieder vor, egal was ich gerne mache, es hat damit zu tun. Als ich dann im Astronautenzentrum in Köln stand, habe ich gewusst: Da möchte ich hin. Es waren ja immer Erkenntnisse, die so ganz langsam wie in Zeitlupe gefallen sind und da gab es natürlich auch viele ups und downs.
COBURGER: Welchen Rat haben Sie, wenn es darum geht, Träume zu realisieren, auch wenn sie ungewöhnlich sind?
Winterling: Wie jemand seinen Traum verwirklichen kann, das kann ich nicht sagen, weil es etwas sein könnte, von dem ich keine Ahnung habe. Ich kann aber zwei Dinge raten: Zum einen, dass man clevere Entscheidungen fällt. Also, macht das in der Lebenssituation, in der man ist, wirklich Sinn, oder ist es vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt sinnvoller? Falls es nicht geht, sollte man einen Plan B haben. Man sollte sich nicht auf eine Sache versteifen und am Ende alles verlieren: Aber ich würde auch dazu anhalten, zu ermutigen zu sagen: Das ist eine superverrückte Idee, ich bin gespannt, was dabei rauskommt. Mach doch mal!
COBURGER: Was kann man selber tun, um zum Ziel zu kommen?
Winterling: Man muss sich selber einbringen, angefangen von dem Willen, dem Durchhaltevermögen, der eigenen Motivation. Und man muss Rückschläge, kleine wie große, wegstecken können und weiter machen. Es ist dabei völlig okay, auch mal zuhause im Bett zu heulen, man muss nur am nächsten Tag aufstehen und sagen „okay“, jetzt geht es wieder los.
COBURGER: Oft gibt es ja die Meinung, dass man etwas einfach nicht kann, zum Beispiel Mathematik…
Winterling: Per se, dass jemand schlecht ist in Mathe oder Physik, das glaube ich erst einmal nicht. Ich habe mit sehr viel Lust und Leidenschaft Schüler jahrelang in Mathe und Physik unterrichtet und selbst die, die notenmäßig als schlecht eingestuft waren, die konnten Mathe und Physik. Denen wurde nur keine Zeit gegeben, es zu verstehen, und das ist eine Problematik, die aus unserem Schulsystem herkommt. Jedermann kann Mathe, man kann auch Physik, man muss sich nur auch die Zeit geben, es zu verstehen. So ist da meine Herangehensweise. Also wir haben alle ein Hirn, das funktioniert. Ich bin das beste Beispiel, dass jeder Physik studieren kann. Ich bin nicht gekommen mit der besten Voraussetzung, ich musste mir alles irgendwie aneignen durch viel Lernen. Man muss halt sich nur trauen, da gehört auch ein bisschen Sturheit dazu.
COBURGER: Haben Sie alle Ziele erreicht?
Winterling: Es wäre dramatisch, wenn ich alle Ziele erreicht hätte. Mein neustes Baby ist meine Firma und die ist jetzt vier Jahre alt. Es gibt viele neue Projekte, zum Beispiel, dass ich jetzt reden darf bei Konzernen und diese Verbindung zwischen Raumfahrt und Business aufzeigen kann. Das ist eine Sache, die macht mir sehr viel Spaß, aber dabei soll es nicht bleiben. Raumfahrt ist eine Liebe, aber ich habe noch andere Dinge, um die ich mich sorge und wo ich gerne Veränderungen sehen möchte in der Welt. Ziele gibt es ganz viele und ich wünsche jedem mindestens einen Traum und ein Ziel.
Die Fragen stellte Gabi Arnold