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HIER WOHNTE… #37

… ein Feinschmecker

Einst war sie lediglich eine breite Gasse. Bestandteil der Handelsstraße von Leipzig nach Nürnberg. Dennoch erkannte der Magistrat die Bedeutung der Spitalgasse wohl schon im Mittelalter. Denn diese Hauptverkehrsader war bereits im 14. Jahrhundert gepflastert. Zu einer Zeit, als man auf den meisten anderen Straßen noch knöcheltief im Morast versank, wenn man nur über den Marktplatz wollte. Keinen besseren Platz konnte man sich als Geschäftsmann also wünschen, als an genau dieser Stelle seine Waren anzubieten. In dem Haus mit der Nummer 1.

von Heidi Schulz-Scheidt
Fotos: Val Thoermer

Geschäfte wurden in dem frisch renovierten Bürgerhaus immer gemacht. Seit Ende des 18. Jahrhunderts wohnte, lebte und arbeitete man hier im Herzen der Stadt bereits auf 3 Stockwerken. Die Liste der Händler ist lang. Musikalien und Instrumente wurden hier gehandelt, aber auch Schuhe, Stahlwaren, Knöpfe und Kurzwaren, Gemälde und Teppiche. Bis heute wohnt der letzte Geschäftsmann eines inhabergeführten Ladens noch hier im 1. Stock. Klaus Schaper erinnert sich an den leuchtenden Sarottimohren, der die Fassade seines Delikatessengeschäfts zierte. Sein Vater Walter erhielt von der bekannten Schokoladenfabrik in Hattersheim persönlich die Erlaubnis, den dunkelhäutigen Werbebotschaft er über seinem Schaufenster anzubringen. Der Coup gelang – über viele Jahrzehnte war der Schokoladenträger ein Wahrzeichen am Markt. Wo heute hell erleuchtete Schaufenster zum Kauf gewöhnlicher Dinge des Alltags einladen, quollen die Regale in den Wirtschaftswunderjahren über von exotischen Leckereien. Tigerfleisch in Dosen, Schildkrötensuppe, Froschschenkel, Seidenraupen und geröstete Ameisen. Der Großhändler aus Hamburg machte es möglich, dass auch die Coburger in den Genuss besonderer Spezialitäten aus der ganzen Welt kamen.

Genuss? Die meisten dieser Produkte würden im Zuge des Artenschutzes heutzutage wohl kaum noch genug Anhänger finden. Bei Schapers gab es aber auch vegetarische Kost. Im Herbst dekorierte der Chef höchstpersönlich das Schaufenster wie eine Metzgerei. Für das Schlachtfest hingen dann Würste, Schinken und sogar Schweine am Haken der Auslage. Allerdings ganz aus Lübecker Marzipan. Bis zu 300 Kilogramm wurden da im Oktober stückchenweise an den Mann oder die Frau gebracht. Bemerkenswert. „Die Zeiten waren andere,“ wie sich Klaus Schaper erinnert. In den 70er und 80er Jahren war es üblich, seinen Mitarbeitern zu Weihnachten Geschenkkörbe zu überreichen. Ein großer Möbelfabrikant bestellte im November hunderte dieser Präsentkörbe. Das Ehepaar Schaper war wochenlang mit der Planung und Fertigstellung beschäftigt. Nicht alle Geschäftsleute in der Spitalgasse 1 hatten hier in der Vergangenheit eine glückliche Zeit. In den 1930er Jahren musste der jüdische Händler Siegfried Braun, Inhaber des Schuhgeschäft es „Stern und Co“, mit ansehen, wie sein Geschäft am Markt zunehmend boykottiert wurde. Zeugenberichten zufolge wurde Braun im März 1933 in der Coburger Prügelstube schwer misshandelt. In der Reichspogromnacht zerstörten die Nazis jüdische Geschäfte in der Innenstadt und verboten den Inhabern, ihren Geschäften nachzugehen. Siegfried Braun blieb nichts anderes übrig, als sein Geschäft aufzulösen. Er flüchtete 1942 Hals über Kopf aus seiner Heimat. Mit unbekanntem Ziel. Ein Stolperstein vor seinem ehemaligen Geschäft erinnert an ihn.

In die Zukunft schaut der 85-jährige ehemalige Feinkosthändler optimistisch. Mit den Wahl-Coburgern Günter und Karin Vogl ist neues Leben in das altehrwürdige Gebäude gezogen. Im 2. Stockwerk hat sich das Ehepaar mit viel Liebe zum Detail eine zeitgenössische Wohnung geschaffen. Mit den liebevoll arrangierten Antiquitäten und einer Reihe von Bildern aus dem früheren Laden „Bilder Bätz“ fühlt man sich hier mit Aussicht auf Coburgs gute Stube ins vergangene Jahrhundert versetzt. Und im Erdgeschoss tut sich auch einiges. Hier entsteht ein großes, modernes Ladengeschäft . Wer demnächst einzieht, verrät Klaus Schaper nicht. Aber er freut sich, dass hier bald wieder ein Geschäft seine Pforten öffnet. Denn in der Spitalgasse 1 wurde immer verkauft , verdient und verhandelt.

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Häuser, die mit Unterstützung der Gemeinschaft Stadtbild Coburg e.V. saniert worden sind – der COBURGER stellt sie vor: 2020 in jeder Ausgabe des COBURGER eines in unserer Reihe „Hier wohnte“.

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