Feuer und Flamme
Sein Traum sind essbare Landschaften, sein Zuhause ist der Wald, seinen Besitz verkauft er für eine Reise rund um Europa.
Chris Bumann – oder auch Rusticus – steht vor seinem nächsten Abenteuer. In Nordhalben, mehr noch in den Wäldern hinter Nordhalben, in der Wildnis am Grünen Band, lebte er in den vergangenen viereinhalb Jahren. „Ich bin neugierig und möchte mit Sachen experimentieren, die es noch nie gab“, sagt er. Auf einer ehemaligen Wiese hat er eine Wildnis-Kultur angelegt. Neben Beeten für Gemüse pflanzte er 80 verschiedene Bäume, Sträucher und Heilpflanzen, die dem Klimawandel trotzen sollen – und essbare Früchte haben. Sein Augenmerk lag auf Wildobst wie Felsenbirne, Wildapfel oder wilder Quitte. Forscher und Wissenschaftler, Studierende und Fans haben Rusticus begleitet oder besucht. „Den Waldgarten, den ich angelegt habe, wird man noch in vielen Jahren sehen“, sagt der 37-Jährige. Jetzt sucht er einen Nachfolger. „Es ist ein Top Boden, die Wassertanks und Bewässerungsschläuche sind da, die Bäume sowieso“, wirbt er. Gerade ist er dabei, all seinen Besitz zu verkaufen, um Geld für das nächste Abenteuer zusammen zu bekommen.
„Ich möchte mit Sachen experimentieren, die es noch nie gab“ Chris Bumann
Ein sturer Schweizer
Mit seinem Hund Benny will er in einem Lastenrad Europa umrunden. Auf rund 18.000 Kilometer schätzt er die Reise, für die er sich bis zu zwei Jahren Zeit nehmen möchte. „Zu meinem 40. Geburtstag bin ich zurück.“ Chris Bumann polarisiert, wie er selbst sagt. Der sture Schweizer hat sich im Frankenwald eine Fangemeinde aufgebaut – und das Gegenstück gleich mit dazu. „Die Grenze meiner persönlichen Toleranz ist erreicht, wenn ich Intoleranz tolerieren müsste. Ein Paradoxon…“, Bumann lacht. Er nimmt es schwer und leicht zugleich. Wie ein Clown. Den möchte er unter anderem bei seiner Tour geben. Gerade plant er die verschiedenen Stationen. „Ich möchte in einem Flüchtlingscamp Halt machen und als Clown auftreten – den Menschen, vor allem den Kindern, ein Lächeln schenken.“ Er möchte Menschen treffen. Das ist der Kern. „Ich möchte nachhaltige Betriebe und Wildnis-Kulturen auf beiden Seiten der Grenze besuchen und mit den Menschen dort ins Gespräch kommen“, sagt er.
Die Welt auf den Kopf gestellt
Sein Werkzeug für die Ideen, die er in Nordhalben umgesetzt hat, sind die sozialen Medien. Alle zwei bis drei Tage hat er sich mit einem Video oder Foto auf Instagram bei seinen Followern gemeldet. „Viele Fans folgen mir gerne, weil sie es selbst nicht mehr können. Sie sind krank, kommen nicht mehr raus – und folgen mir daher bei meinen Abenteuern und meiner Arbeit“, erzählt Rusticus. „Da kann ich eigentlich gar nicht aufhören – ich bin es diesen Menschen schuldig, dass es weiter geht.“ Es soll weiter gehen, doch es wird anders weiter gehen. Gerade macht Bumann eine Weiterbildung zum Thema Dokumentarfilm. Er möchte das, was er erlebt, möglichst professionell dokumentieren. Die Filme werden länger und sie werden seltener. Chris und Benny, sein Hund, werden nur noch alle vier bis sechs Wochen mit einer neuen Folge auf YouTube zu sehen sein. „Es ist erst einmal ein großer Unterschied, nicht mehr im Hochformat zu filmen, sondern quer – das stellt meine Welt um 90 Grad auf den Kopf“, lacht er.
Alles für „Ärzte ohne Grenzen“
Die Planungen für seine Reise stehen am Anfang. Spätestens im Mai möchte Chris Bumann starten, höchstwahrscheinlich an der deutschen Außengrenze an der Nordsee. Dann geht es erstmal linksrum, Niederlande, Frankreich, Spanien, Portugal… „Ich spreche Französisch, Italienisch und etwas Spanisch. Das sind für mich die einfacheren Länder, mit denen werde ich anfangen. Vor der Grenze nach Russland habe ich schon etwas Schiss.“ Er braucht in Deutschland ein Basislager, von dem aus er versorgt wird – zum Beispiel mit der Kleidung, die zur Jahreszeit passt. „Dafür suche ich noch Leute, die Bock darauf haben.“ Und er sucht Sponsoren und Spender, die ihm die Reise ermöglichen. Im besten Fall werden die Fans, die ihm folgen von Station zu Station immer mehr. „Alles was nach der Reise übrigbleibt, werde ich an eine gemeinnützige Organisation spenden“, sagt er. Höchstwahrscheinlich werden das „Ärzte ohne Grenzen“.
Keine Kompromisse
Was bleibt im Frankenwald, wenn Rusticus und Benny gehen? Chris Bumann hofft, dass seine Idee von einer Landwirtschaft ohne Pestizide und ohne Kunstdünger noch ein paar Kreise zieht. „Ansonsten wird im Wald weniger Leben sein. Weniger Besucher. Keine Lagerfeuer mehr, die man jetzt bis in den Ort sieht, weil der Wald weg ist“, sagt er. Das klingt wieder traurig und fröhlich zugleich. Chris Bumann
will seine Werte leben. Das sind Freiheit und Gleichheit, das sind ein respektvolles Zusammenleben und die Wahrung demokratischer Werte. „Ich werde mit extremistischen Strömungen immer kompromisslos umgehen“, sagt er. Für seinen Hund Benny wird die Reise rund um Europa beschwerlich werden. „Ich habe ihn vor neun Jahren in einer Mülltonne in Ungarn gefunden, seitdem ist er mein treuer Begleiter. Das ist auch der Grund für das Lastenrad: Benny wird die Strecke nicht laufen können, ich werde ihn fahren.“
Insta: @der_rusticus
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