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Das kannst du nicht planen
Jörg Wagner vom Frischecenter Wagner im Gespräch
COBURGER: Wann haben Sie gemerkt, „da kommt was auf uns zu?“
Jörg Wagner: Also mal vorneweg: Alles, was in den letzten Wochen passiert ist, war für mich eigentlich unvorstellbar. Ich war im Februar bei einem Vortrag der Wirtschaftsjunioren, da war Corona noch weit weg. Dass es leichte Einschränkungen gibt, damit hat man gerechnet, mehr aber nicht. „Bitte keine Panik“, war die Meinung. Aber in den ersten beiden Märzwochen hat sich die Situation immer mehr zugespitzt. Die Unsicherheit bei unseren Kunden ist immer mehr gewachsen. Da musst du irgendwie darauf reagieren, es gibt ja für so etwas keine Pläne.
COBURGER: Es kam zu ersten Hamsterkäufen, wie war bei Ihnen die Situation?
Jörg Wagner: Wir haben ja die glückliche Lage, dass wir dreimal in der Woche beliefert werden. Dennoch hatten wir nach 14 Tagen Lieferengpässe. Wir hatten einen Kunden, der hat für 550 Euro eingekauft . Wir haben dann Höchstabgabemengen eingeführt, an die haben sich fast alle auch gehalten. Es ging um Solidarität von allen für alle.
COBURGER: Am 16. März wurde der Katastrophenfall für Bayern ausgerufen, am 20. März die Ausgangsbeschränkungen bekannt gegeben. Was hat das für Sie und Ihre Mitarbeiter bedeutet?
Jörg Wagner: Der Lebensmittel-Einzelhandel wurde im Rahmen dieser Maßnahmen als kritische Infrastruktur eingestuft . Das hat erst einmal gutgetan, weil daraus ja auch eine Wertschätzung hervorgeht, dass man in so einer Krise besonders wichtig ist. Für uns war das mit wahnsinnig viel Mehraufwand verbunden: Oft bis Mitternacht die Regale auffüllen, Spätschichten, Nachschichten, mit Lieferanten zusätzliche Lieferungen aushandeln, weil da viele unserer Kunden panikartig eingekauft haben: Desinfektionsmittel waren schon lange weg, dann Konserven, Mehl, Reis, Nudeln, Toilettenpapier. Hefe war auch so ein Artikel, der plötzlich heißbegehrt war, wir haben dann über Bäckereien Bäckerhefe organisiert, z. B. alleine für Ostern 110 Kilogramm nachbestellt.
COBURGER: Gab es einen Moment, wo Sie gedacht haben, dem Lebensmittelhandel gehen die Waren aus?
Jörg Wagner: Nein. Da kommt uns in Deutschland das zugute, was europaweit einmalig ist: Wir haben die größte Dichte an Lebensmittelmärkten, das ist natürlich gerade in solchen Krisen für die Versorgung Gold wert. Da sind wir in Deutschland hervorragend aufgestellt, das dürfen wir nicht zerreden.
COBURGER: Wie war das mit den gesundheitlichen Risiken für Ihre Mitarbeiter und für Ihre Kunden? Wie haben Sie das geregelt?
Jörg Wagner: Also ganz am Anfang gab es erst einmal noch keine Masken. Keine offizielle Stelle konnte uns anfänglich weiterhelfen. Dann haben wir über das Landratsamt Masken für 10 Euro das Stück erhalten. Ich habe dann für meine Mitarbeiter noch über einen Bekannten Masken organisiert für unsere über 100 Mitarbeiter. Das war ja für alle Neuland, vereinzelt gab es Ängste oder Bedenken, dann aber haben alle mitgezogen, weil wir an die Vernunft appelliert haben. Insgesamt aber fand ich es bedrückend, dass alle nur vom Gesundheitswesen und der Pflege gesprochen haben, die natürlich sehr gefährdet sind, aber wir haben auch viele Tausend Kontakte jeden Tag, und eigentlich hat man uns im Regen stehen lassen.
COBURGER: Und welche Maßnahmen gab es noch?
Jörg Wagner: Ein Desinfektionsmodul im Eingangsbereich, Plexiglasscheiben an den Kassen, obwohl es ja kein Plexiglas gab, die Baumärkte hatten schon zu, wir haben das auch über unser Netzwerk privat organisiert. Wir haben uns um eine Security gekümmert, damit der Laden nicht zu voll wird, jetzt lösen wir das über eine Beschränkung der Einkaufswägen auf 110 Stück. Das sind dann etwa fünf Kunden pro 100 Quadratmeter Einkaufsfläche. Wir fordern die Kunden auf, den Mindestabstand einzuhalten über unsere Monitore und Durchsagen und Plakate, wir haben Markierungen auf den Boden geklebt und Barrieren gebaut. Und das alles innerhalb von ein paar Tagen.
COBURGER: Und jetzt?
Jörg Wagner: Wir haben viel Anerkennung bekommen, viele nette Worte an der Kasse, viele Emails, sogar Dankeschön-Pakete. Das hat sehr gutgetan. Aber es kommt jetzt auch darauf an, was wir daraus lernen. Wenn wir denken, das läuft danach schon wieder, dann wird sich nichts ändern. Ich habe zum Beispiel die Befürchtung, dass der Lebensmittel-Einzelhandel nach der Krise nicht mehr wertgeschätzt wird als vorher. Es wäre wünschenswert, dass unsere Verbände sich für ihre ganze Branche einsetzen. Warum nicht pauschal eine 10%ige Lohnsteigerung? Wir sind kritische Infrastruktur, dann sollte man die Mitarbeiter auch so bezahlen. Dann bekommen Lebensmittel halt auch mal den Preis, den sie wert sind. Warum heben wir nicht die 450 Euro Grenze pauschal auf 600 Euro an, wo ist das Problem? Das würde uns helfen in Sachen Flexibilität und vielen, die sich nebenbei etwas dazuverdienen, bleibt mehr übrig. Jetzt war so viel möglich, was vorher unmöglich war, es geht also, wenn man will.
Die Fragen stellte Wolfram Hegen.