Der Neue – Dominik Sauerteig im Interview #38
Er ist 33 Jahre jung, er ist Sozialdemokrat, er ist Jurist, er ist Coburger. Ein Blick zurück in die jüngere Coburger Geschichte zeigt: Keine schlechten Voraussetzungen, um die Geschicke der Stadt für viele Jahre zu leiten. Anfang Mai tritt er die Nachfolge von Norbert Tessmer an.
COBURGER: Herr Sauerteig, sie werden keine Schonfrist haben. Keine hundert Tage wie üblich, keinen Welpenschutz. Die Zeit ist viel zu ernst. Fühlen sie sich mit Anfang 30 der Mammutaufgabe gewachsen, die auf sie zukommt?
Dominik Sauerteig: Corona hat weite Teile der Stichwahl geprägt. Der Wähler hat dabei mit einer deutlichen Mehrheit entschieden, dass ich Coburg durch diese Zeit auch führen soll. Von daher gibt’s für mich im Moment keinen Zweifel daran, dass ich mit meiner ruhigen gelassenen Art auch der richtige bin, in dieser schwierigen Zeit Coburg zu führen.
COBURGER: Einen Beweis ihrer Durchsetzungsfähigkeit können sie gleich am Anfang erbringen. Es gibt ja verschiedene Möglichkeiten zukunftsfähige Koalitionen zu schmieden. Die eine ist eine Kombi mit den Grünen und PRO Coburg. Das andere ist eine GroKo mit der CSU, Junge Coburger und anderen konservativen Kräften. Was wäre ihnen persönlich lieber?
Dominik Sauerteig: Es geht nicht darum, dass ich meinen Kopf durchsetze. Es geht darum, dass wir eine zukunftsfähige Lösung für die Stadt Coburg finden. Es geht darum, dass wir eine vertrauensvolle Zusammenarbeit für die nächsten sechs Jahre konstruieren. Wir führen Gespräche mit allen Gruppierungen. Wir sind dabei, gemeinsam ein Paket zu schnüren. Da sind wir aber noch nicht so weit um zu sagen, wo die Reise lang geht. Da geht’s zum einen drum, wie man Inhalte miteinander verknüpft. Es geht aber auch darum, dass viele Gruppierungen Ansprüche anmelden, was hauptberufliche Posten angeht. Das muss man in ein Konstrukt bringen, dass wir Coburg zukunftsfähig führen können.
COBURGER: Es geht ja auch darum, wer in ihrer Fraktion jetzt das sagen hat. Das ist ja nun ihr Vorgänger, Alt-OB Norbert Tessmer als Fraktionsvorsitzender der SPD. Der war oft im Wahlkampf mit der CSU auf Bildern zu sehen. Der hat auch ältere Kollegen in der Fraktion, die haben auch die Mehrheit gegenüber den Jungen. Das sieht schon nach einer GroKo aus.
Dominik Sauerteig: Wir haben bewusst im Wahlkampf darauf gesetzt, dass wir eine Mischung zwischen Jung und Alt auf der Liste platzieren. Ich glaube, wir haben das durchaus auch wie keine andere Gruppierung in den Stadtrat rübergebracht. Wir haben da schon mit Can Aydin, mit meinem Bruder Stefan Sauerteig und mit Ramona Brehm durchaus junge ambitionierte Köpfe mit in der Fraktion. Von daher arbeiten wir als Fraktion gemeinsam, ziehen an einem Strang. Ich würde nicht davon sprechen, dass die Älteren da die Mehrheit haben, weil wir seit Monaten gezeigt haben, dass wir als Coburger SPD gemeinsam agieren. Das hat am Ende auch dazu geführt, dass wir ein gutes Stadtratsergebnis geholt haben, wenn man sieht, dass man uns vor Monaten gesagt hat, wir haben keine Chance. Wir waren am Ende die Partei, die das stärkste Stadtratsergebnis geholt hat. Wir haben dann auch bei der Stichwahl, bei mir, bei der Oberbürgermeisterwahl, auch sehr deutlich gewonnen. Von daher gibt es auch keinen Dissens bei uns in der Fraktion zwischen den Altersgruppen.
COBURGER: Ihnen wäre es aber schon recht, wenn sie die SPD-Fraktion hinter sich hätten? Oder würden sie zur Not auch ein Streit mit der SPD-Fraktion nicht aus dem Weg gehen?
Dominik Sauerteig: Ich habe die SPD-Fraktion hinter mir, von daher stellt sich die Frage nicht.
COBURGER: Die Aufgabe ist riesig, es sind insgesamt 11 Parteien oder Gruppierungen im Stadtrat, so viele wie nie. Sie haben viele neue Gesichter, die geführt werden wollen. Viele, mit allem Respekt, schlachterprobte Rösser, die ihrerseits auch Führungsansprüche haben. Das erfordert viele Gespräche. Der Haushalt muss sicherlich überdacht werden. Das erfordert Gespräche. Corona vor der Brust – mit den Folgen – da ist schnelles Handeln erforderlich. Die Zukunftsthemen Mobilität, Digitalisierung, Klimawandel, etc. Da gibt es wahnsinnig viel zu tun. Womit fangen sie an?
Dominik Sauerteig: Wir müssen zunächst ein arbeitsfähiges Gerüst schaffen, Fakten sammeln. Es ist momentan viel die Rede davon, dass wir Haushaltsprobleme bekommen werden. Das ist alles so ein bisschen Glaskugellesen. Wir wissen das alles noch gar nicht. Wir führen natürlich in dieser Zeit auch Gespräche mit den großen und kleinen Coburger Unternehmen. Ob dann die Krise so stark auf Coburg zuschlägt, weiß im Moment keiner. Von daher finde ich, ist es momentan fehl am Platz über aktionistische Dinge nachzudenken, also welches Projekt muss man sofort streichen. Ich glaube, wir müssen da einfach jetzt besonnen und ruhig die Fakten sammeln. Dann als Politik gemeinsam mit der Stadtgesellschaft schauen, wo wir Prioritäten setzen. Natürlich ist es so, dass der Klimaschutz ein Thema ist, das man relativ schnell auch in der Stadt Coburg deutlich angehen muss. Ich bin auch sehr dankbar, dass auch vom Bund die Ansagen kamen, wenn nach der Krise ein großes Konjunkturprogramm kommt, dass das auch ganz klar Wert auf den Klimaschutz legen wird.
COBURGER: Auf der anderen Seite haben sie auch im Wahlkampf gesagt, wir brauchen jetzt schnellstens eine Task-Force, vielleicht über die Wifög, um möglicherweise auch Darlehen auszugeben von der Kommune, um Zwischenfinanzierungen zu ermöglichen, viele kleine Betriebe haben nicht viel Zeit. Da ist es Spitz auf Knopf. Man will nicht, dass viele insolvent gehen, sonst wäre die Stadt sicher nicht mehr so lebenswert. Wird da was passieren?
Dominik Sauerteig: Wir müssen da ein bisschen differenzieren. Ich habe, anders als mein Mitbewerber, nie gesagt, dass die Stadt Coburg selbst Zahlungen an die Unternehmen ausschütten soll, weil ich immer gewusst habe, dass das rechtlich nicht durchsetzbar ist. Wir machen als Stadt Coburg die Dinge, die man als Kommune umsetzen darf. Wir stunden beispielsweise Forderungen. Wir sind in der Lage, dass wir Rechnungen vorfällig begleichen. Wir machen da als Stadt Coburg das, was wir tun dürfen. Da können sich die Unternehmen auch gewiss sein, dass wir die Möglichkeiten ausschöpfen, die wir als Kommune haben. Da hat jeder von uns ein großes Interesse daran, dass wir nach der Krise eine lebendige Stadt haben.
COBURGER: Gehen wir mal von der Arbeitgeberseite – von den Betrieben – zu den Arbeitnehmern. Sie kommen aus einer Arbeiterfamilie. Sind auch in ihrem erlernten Beruf als Rechtsanwalt hauptsächlich auf Arbeitnehmerseite tätig. Engagieren sich bei Hartz und herzlich für das Sozialkaufhaus. Wie werden die normalen Menschen in der Stadt von den Folgen von Corona getroffen? Wie ist ihr Eindruck? Wie kann man denen helfen?
Dominik Sauerteig: Ich würde nicht sagen, dass ich aus der Arbeitnehmerschiene komme, ich komm mitten aus dem Leben. Ich war im Wahlkampf und auch danach per WhatsApp, Instagram, Telefon ansprechbar. Natürlich kommen da auch besorgte Nachrichten. Da sind Schicksale dabei, die einen hart mitnehmen, weil es für viele Familien im Moment schwierig ist, wenn man in die Kurzarbeit geht, wenn man da plötzlich ein paar hundert Euro im Monat weniger zur Verfügung hat. Dann hängt da vielleicht die Immobilienfinanzierung dran. Letzten Endes geht es darum, dass wir für die Menschen in Coburg auch was bewegen können. Da ist es so, dass ich die Möglichkeiten nutze, die ich habe. Dass ich auf Programme, die laufen, hinweise. Dass ich die Informationen, die ich habe, weitergebe. Auch auf direktem Draht. Das ist, glaube ich, sehr sehr wichtig, dass da nicht bei zig Stellen angerannt werden muss. Dass man einfach, wenn man Informationen hat, diese direkt weitergibt. Dafür stehe ich auch weiterhin zu Verfügung. Das ist mein Stil. Ich will ansprechbar sein für die Bürgerinnen und Bürger. Das zählt auch nach der Wahl. Damit die Bürgerinnen und Bürger eine attraktive Stadt haben, die auch Arbeitsplätze zu Verfügung stellen kann, die nicht von der Kurzarbeit geprägt sind, damit es eine attraktive Stadt ist.
COBURGER: Sie haben es kurz angedeutet, sie wollen keinen Katalog aufstellen, was man erst einmal bleiben lässt, Güterbahnhofgelände, Kühlhalle, Pakethalle, das Globe, also Landestheater generell und natürlich Kongresswesen. Da gibt es ja eine ganze Menge Projekte, um nur einige zu nennen. Wo würden sie jetzt sagen, das schieben wir erstmal auf?
Dominik Sauerteig: Das hat jetzt kein Sinn drüber zu reden. Wir sammeln zuerst die Fakten, wie stellt sich die finanzielle Lage dar. Das weiß im Moment niemand wirklich. Natürlich sind da Projekte dabei, die kann man nicht mehr stoppen. Die sind schon so weit, dass da die Ausschreibungen soweit gelaufen sind, dass die Unternehmen auch vor der Tür sind und anfangen wollen. Es gibt natürlich Projekte, die noch nicht so weit fortgeschritten sind, wo man sagen muss, die wird man sicherlich erst einmal hinten anstellen. Wenn es nach mir persönlich geht, dann glaube ich, dass wir über einen städtischen Neubau eines Kongresswesens im Moment mal nicht nachdenken sollten. Das ist ein Projekt, dass noch gar nicht so weit gedacht ist, dass wir da ansatzweise wissen, wo die Reise lang geht. Wir sollten uns auf die Projekte konzentrieren, die wir jetzt angeschoben haben, die wichtig sind. Auch für die Stadt Coburg. Wir sollten am Güterbahnhof weiter voran gehen, weil da Zukunft geschrieben wird. Da wäre es, denke ich, nicht sinnvoll, wenn wir jetzt Zukunftsprojekte anhalten.
COBURGER: Sie haben es gerade schon angedeutet, sie sind auch Initiator des Bürgerbegehrens „Rettet den Rosengarten“. Da war die Konfrontationslinie ganz klar gezogen – bildhaft – gegen den Coburger Süden. Gab es schon Gespräche mit Herrn Stoschek? Gabs schon ein Anruf nach der Wahl? Waren sie schon dort? War er bei ihnen?
Dominik Sauerteig: Es gab noch keinen Kontakt nach der Wahl. Ich glaube, Herr Stoschek hat momentan mit der Firma auch wahnsinnige Schwierigkeiten. Dass man da in der Automobilbranche den Laden zusammenhält. Von daher soll er sich erst einmal auf diese Dinge konzentrieren. Es wird sicher auch in Zukunft Zeit sein, sich auszutauschen. Wir haben das auch im Rahmen des Bürgerbegehrens persönlich miteinander im guten Stil gemacht. Das war nie konfrontativ. Wir haben die Argumente ausgetauscht. Den Stil biete ich auch allen Coburger Unternehmen an, dass wir gemeinsam über die wichtigen Dinge diskutieren und am Ende eine Entscheidung treffen. Natürlich sind da nicht immer alle Standpunkte auch deckungsgleich, aber das gehört zur Demokratie dazu, dass man unterschiedliche Meinungen miteinander austauscht.
COBURGER: Der Klinikverbund Regiomed bewältigt derzeit eine riesige Aufgabe. Man kann gar nicht genug Hochachtung haben vor dem, was da dort geleistet wird. Man sieht jetzt, wie wichtig ein funktionierendes Gesundheitswesen ist. Dabei muss jetzt REGIOMED ohnehin mit viel Geld geholfen werden, ein großer Schuldenberg aus der Vergangenheit, den man zu begleichen hat. Wie wollen sie REGIOMED mit dieser Basis für die Zukunft aufstellen?
Dominik Sauerteig: Man muss zunächst einmal sagen, dass alle Menschen, gerade im Gesundheitswesen, aber auch in den Einkaufsläden, im Moment einen wahnsinnigen Job für die Gesellschaft tun. Meinen ganz großen Respekt davor, dass da auch mit großem Risiko die Menschen ihrem Job nachgehen. Wer jetzt nicht erkennt, dass die Zeit des Sparens im Gesundheitswesen vorbei ist, der hats nicht begriffen. Meine ganz klare Vorstellung, wir müssen dringend ran an den Neubau des Klinikums. Wir müssen dringend dran, dass wir die Wertschätzung, die die Pflegenden jetzt erfahren, dass wir die auch in der Zeit nach Corona weiter haben. Das ist ein Ansatz, den ich im Wahlkampf immer betont habe, die Solidarität, die die Gesellschaft jetzt in den schwierigen Zeiten lebt, die muss bitte auch nach Corona noch weiterleben. Dies wäre ein riesiger Mehrwert für unsere Gesellschaft.
COBURGER: In der Tat steckt ja auch in jeder Krise eine Chance. Jetzt ist diese Krise da, damit auch die Chance, Strukturen aufzubrechen, den Wandel vorwärts zu treiben. Wo sehen sie Coburg in sechs Jahren, sollten sie dann wieder antreten?
Dominik Sauerteig: Ich habe im Wahlkampf immer gesagt, dass ich mir eine Stadt vorstelle, die sozial ist, die im ökologischen weiter voran geht, die aber auch wirtschaftlich dynamisch ist und auf alle Generationen setzt. Das ist mein Stil, den ich die letzten Monate immer vertreten habe, den werde ich auch die nächsten sechs Jahre vertreten. Das wir einfach im Konsens mit allen Generationen für alle Generationen Coburg weiterentwickeln. Damit wir in einer liebens- und lebenswerten Stadt weiterleben. Die Startvoraussetzungen sind hier einfach gigantisch. Ich lebe hier wahnsinnig gerne und ich glaube, dass machen die 41.000 Einwohner, die hier leben, auch sehr gerne. Das wollen wir auch, dass das weiterhin so ist.
Die Fragen stellte Wolfram Hegen. Das Interview gibt es auch als Video: www.itv-coburg.de/der-neue-2020