… ein Braumeister mit Kurzem Arbeitsweg
Außerhalb der Innenstadt gelegen auf dem steilen Weg aus dem Itztal hinauf nach Wüstenahorn liegt der Marschberg. Um die Jahrhundertwende entstanden hier vor den Toren der Stadt viele kleinere und größere Villen von Rentiers, gut situierten Handwerksmeistern, ehemaligen Soldaten und Kaufleuten, die sich in der ehemaligen Garnisonsstadt Coburg niederlassen wollten, um ihren Lebensabend so angenehm wie möglich verbringen zu können. Coburg war Anfang des 20. Jahrhunderts eine Kleinstadt mit etwa 20 000 Einwohnern, aber einem regen gesellschaftlichen Leben, einem Theater und einer Fürstenfamilie, die ein bisschen Glanz und Glamour mitbrachte.
So mag wohl auch der gebürtige Arnstadter Dr. Hermann Auleb gedacht haben, als er im Jahre 1898 den Auftrag zum Bau eines Hauses am ebendiesem Marschberg gegeben hat. Viel hatte er jedoch nicht mehr von seinem Ruhesitz im Grünen. Der studierte Jurist und Mitglied des Landtags des Fürstentums Schwarzburg-Sondershausen verstarb bereits 1911 in Coburg. Daraufhin erwarb der Braumeister Heinrich Stegner das Haus mit der Nummer 12. Vielleicht war es nicht nur die herrliche Lage vor den Toren der Stadt mit Vesteblick, die ihn zum Kauf des Hauses anregte. Sondern auch der kurze Weg zur Arbeit. Liegt doch das Hofbrauhaus nur wenige Meter entfernt.
Sechs Brauereien gab es schon in der Stadt, als 1856 die Actien-Bierbrauerei Coburg gegründet wurde. Mit Herzog Ernst II. hatte man von der ersten Stunde an einen berühmten Aktionär an seiner Seite. Unter Herzog Carl Eduard bekam die Brauerei dann ihren neuen Namen, „Hofbrauhaus Coburg AG“. In dieser Zeit lief die Bierproduktion unter dem Namen „Coburger Hofbräu“. Mit rund 100000 Hektolitern war das gar keine kleine Brauerei mehr. Rund 10 Prozent des Ausstoßes wurde als „Coburg Bavarian Beer“ in die USA exportiert. So entstand wohl im Volksmund auch die Bezeichnung dieser Biersorte als „Amerikaner“. Durch den Zukauf weiterer Brauereien in der Stadt und im Landkreis, unter anderem auch der Vereinsbrauerei im Hahnweg, wurde das Hofbrauhaus bis zum Jahre 1921 die größte Brauerin der Stadt mit 120 Mitarbeitern und einem Bierausstoß von 150 000 Hektolitern.
Aus der ehemaligen Bierhalle in der Mohrenstraße wurden im Laufe der Jahre die Hofbräugaststätten mit zwei Sälen und insgesamt 1688 zugelassenen Sitzplätzen. Bemerkenswert. Zeitzeugen berichten, dass selbst diese beachtliche Zahl bei Veranstaltungen oft noch hoffnungslos überschritten wurde. Wo heute der Kaufhof steht, wurden damals nicht nur Konzerte gegeben, die Coburger kamen zum Starkbierfest, zu Boxveranstaltungen, Faschingsbällen, Ausstellungen und politischen Kundgebungen. Traurige Berühmtheit erlangte dabei die Kundgebung zum 3. Deutschen Tag am 14. und 15. Oktober 1922. Hauptredner: Adolf Hitler. Zu dieser Veranstaltung des Deutschvölkischen Schutz- und Trutzbundes war die NSDAP zum ersten Mal eingeladen und führte sich gleich entsprechend ein. Denn Hitlers Auftritt zusammen mit über 600 SA-Mitgliedern führte zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit Anhängern der Linksparteien und ging als Coburger Blutsonnabend in die Geschichtsbücher ein. Hitlers militärisch gedrillte und gewaltbereite Männer gingen auf jeden los, der sich ihnen in den Weg stellte. Das ganze Wochenende über kam es zu regelrechten Straßenschlachten und Prügeleien in der Innenstadt. Am Samstagabend dann sprach Hitler vor etwa 3000 Zuhörern in den Hofbräugaststätten, welche damals zentrale Versammlungsstätte des Deutschen Tages waren. Wir erinnern uns: es gab lediglich 1688 Sitzplätze. Hitler zog aus diesem für ihn erfolgreichen Wochenende in Coburg die Lehre, dass Gewalt als Mittel zur politischen Auseinandersetzung zur Regel werden sollte. Auch Herzog Carl Eduard und seine Frau saßen unter den Zuhörern, während es vor dem Eingang Mohrenstraße immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den SA-Leuten und den Arbeitern kam.
Vom Braumeister Heinrich Stegner ist nicht bekannt, welche Biersorte er favorisierte. Lager, Pils, Zwickl oder Bockbier. Aber er würde sich sicherlich freuen zu hören, dass in Coburg im Brauhaus in der Nägleinsgasse endlich wieder ein Bier gebraut wird, nachdem mit dem Aufkauf der Scheidmantel von den Kulmbachern im Jahre 2011 auch die letzte einheimische Brauerei aufgegeben hatte und die Brautradition in der Stadt ein Ende fand.
Möglichweise liegt der Duft von Hopfen und Malz ja auch noch ein bisschen in der Luft in den Räumen des Hauses am Marschberg 12. Es wäre zumindest eine poetische Erklärung für die Vorliebe des heutigen Besitzers für jede Art fränkischen Bieres.
Autorin: Heidi Schulz-Scheidt
Bildquelle: Sebastian Buff