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HIER WOHNTEN… #30

… die Bürger

Über Bürgerhäuser in Coburg soll es diesmal gehen. Ein Anfang ist schwer zu finden. Sind ja nicht alle Wohnhäuser einer Stadt in erster Linie Bürger-Häuser – also Häuser für Bürger? Ganz allgemein besehen ist das richtig. Und dennoch: repräsentativ sollten sie laut Reallexikon auch sein und zudem in einem verdichteten altstädtischen Umfeld stehen.

Mit dieser Definition ausgerüstet lässt sich Coburg hinsichtlich genauer betrachten. Sofort fällt ein schnuckeliges Handwerkerhäuschen in der Salvatorgasse 1 ein, welches auf 40 Quadratmetern Grundfläche seinen ganz eigenen Charme entwickelt hat. Gebaut wurde es 1404, im tiefsten Mittelalter, als die Räume vom Werkstattofen der Leineweber noch schwarz verrußt waren und bis zu 15 Menschen unter einem Dach lebten. Bürgerhäuser waren also Werkstatt, Wohn-, Geschäfts- und Speicherhaus in einem. Unten wurde gearbeitet. Oben gewohnt. Wenige hatten den Luxus des Hauses in der Salvatorgasse mit einer Bohlenstube. Diese gute Stube beherbergte eine Art Heizung. Man geht davon aus, dass die Befeuerung eines Ofens im Treppenhaus die Wände derart aufheizte, dass es in dieser Bohlenstube im 1.Stock kuschelig warm wurde. Zur damaligen Zeit für die meisten Menschen ein unvorstellbarer Luxus.

Auch die Nummer 3 Hinterm Marstall ist so ein Bürger­haus. Wobei Drechslermeister Otto Am­berg seine Werkstatt als Anbau außerhalb des Hauses errichtet hat. Viele Umbauten wurden über die Jahrhunderte vorgenommen, um so den Bedürfnissen der wechselnden Besitzer gerecht zu werden. Oft beherbergten die Innenhöfe der Bürgerhäuser kleine Rasenflächen und Platz für die Viehhaltung. Kaninchen- und Hühnerställe, Salatpflanzen und Kartoffeläcker. Alles wurde auf engstem Raum untergebracht, um die Versorgung der Großfamilie zu gewährleisten. Manches Mal führte sogar frisches Quellwasser mitten durch den Garten. So wie Hinterm Marstall, wo der von der Leopoldstraße kommende „Stetsambach“ bis zu seiner Verrohrung die Menschen im gesamten Viertel mit dem nötigen Wasser versorgte.

Je nach Lage entwickelten sich die Bürgerhäuser in Deutsch­land unterschiedlich. Im ländlichen Nord­deutschland wurden eher große, hallenartige Räume errichtet, inklusive weiträumiger Dielen mit Feuerstelle. In Süddeutschland herrschte eher eine Mischform vor mit Vorhausdiele, die als Wohnung und Gewerberaum diente. Vorzugsweise im Fachwerkbau erstellt. In Coburg gibt es noch viele dieser Häuserzeilen, die dank gleichmäßiger Parzellierung direkt an den Straßenrand gebaut und meist lückenlos aneinandergereiht sind. In Abgrenzung an die auch zahlreichen historischen Villen in der Innenstadt, die eher mit individuellen Merkmalen und herausstechenden Einzellagen glänzen. Wirtschaftliche Veränderungen, die auf­kommende Industrialisierung und die starke Be­völkerungszunahme im 19. Jahrhundert führten zu einem Be­deutungs­verlust des Bürger­hauses. Die Gebäude passten sich wieder einmal an. Werk­stätten verschwanden, repräsentative Wohnräume waren gefragt. Es entwickelten sich parallel dazu gehobene städtische Wohnhäuser. Das bürgerliche Wohnen verlagerte sich zunehmend in freistehende Villen. Ein regelrechter Bauboom erfasste auch Coburg. Beispielgebend sei hier Otto Leheis genannt, der zahlreiche imposante Villen im gesamten Stadtgebiet entworfen und als Bauträger auch realisiert hat. So entstanden im ausgehenden 19.Jahrhundert an vielen Knotenpunkten bürgerlichen Lebens in Coburg vom Jugendstil beeinflusste Bauten aus dem typischen gelben Backstein oder regionalem Sandstein. Modern interpretiert als gehobene Mietshäuser.

Nach dem ersten Weltkrieg wurden nur noch wenige dieser repräsentativen Häuser gebaut. Die Weltwirtschaftskrise zwang allesamt zum Sparen. Dienstboten fanden sich immer schwerer. Die Menschen fingen an, zu besseren Konditionen in Fabriken zu arbeiten. Wie schön, dass sich in den letzten Jahren hierzulande auch dank geeigneter Fördermittel immer wieder Menschen dazu animieren lassen, diese Kleinode bürgerlichen Lebens zu renovieren und neuen Nutzungen zuzuführen. Denn verändert haben sie sich zu allen Zeiten, die Bürgerhäuser. Angepasst, aufgestockt, verbreitert. Um Menschen zu beherbergen. Die Bürger einer Stadt.

Häuser, die mit Unterstützung der Gemeinschaft Stadtbild Coburg e.V. saniert worden sind – der COBURGER stellt sie vor: 2018 in jeder Ausgabe des COBURGER eines in unserer Reihe „Hier wohnte“.

von Heidi Schulz-Scheidt
Fotos: Sebastian Buff & Yves Alloinde

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