Ein Zeckenbiss im Juni 2020 stellt das Leben von Familie Kuhnlein von einem Tag auf den anderen komplett auf den Kopf. Seitdem ist Juliane Kuhnlein schwerstbehindert und rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen – eine Mammutaufgabe für Ehemann Tobias, der nebenbei seinen Job als Berufsschullehrer und die beiden Kinder Florentin und Laurena unter einen Hut bringen muss. Hinzu kommt eine große finanzielle Belastung, da das Haus behindertengerecht umgebaut werden muss und Kredite noch nicht abbezahlt sind.
Tobias Kuhnlein möchte das, was für andere Väter selbstverständlich ist: Mit seinen Kindern Florentin und Laurena toben, spielen, basteln, einfach Zeit verbringen. Das ist aber kaum möglich, da die Pflege seiner Frau ihn nahezu rund um die Uhr beansprucht. „Ich arbeite hier wirklich auf Verschleiß, in der Hoffnung, dass ich es schaffe“, sagt der zweifache Vater und Ehemann.
Kuhnleins wohnen im Gemeindeteil Neundorf des Marktes Mitwitz. Dort haben sie 2016 ein Haus, Baujahr 1986, gekauft. Es gleicht einer Baustelle, da es im Umbau ist. Als wir eintreffen, wird Juliane von einer Pflegerin versorgt. Tobias Kuhnlein erzählt uns in der Zwischenzeit die Geschichte, die er viele Male berichtet und die Julianes und sein Leben komplett umgekrempelt hat. Der Schock steckt ihm noch immer in den Gliedern, auch zwei Jahre nach dem Vorfall. Ein schier unendlich hoher Berg an Sorgen und Aufgaben hat sich aufgetürmt. „Drei Bücher könnte ich füllen“, sagt der 36-jährige Berufsschullehrer.
Plötzlich aus dem Leben gerissen
Im Juni 2020 wird Juliane Kuhnlein bei einem Spaziergang von einer Zecke gebissen. Sie ist mit ihrem Sohn Florentin in der Natur unterwegs und erwartet ihr zweites Kind. Der Stich zeigt zunächst nichts Spektakuläres, der Parasit wird entfernt, die Wunde desinfiziert und beobachtet. Der Einstich gleicht einem normalen Insektenstich. Das ist er aber nicht, denn die Zecke ist mit FSME-Viren infiziert. In Deutschland werden laut Robert Koch-Institut jährlich etwa 500 Fälle von Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) gemeldet. Meist verläuft die Krankheit unbemerkt, also ohne oder nur mit leichten Symptomen. Bei der damals 29-jährigen Juliane Kuhnlein nimmt die Infektion einen dramatischen Verlauf. Juliane erkrankt nicht nur an einer Gehirnentzündung, sondern auch an einer Rückenmarksentzündung (Myelitis).
„Am Abend hat Juliane plötzlich ihre Beine und Arme nicht mehr gespürt, nach 36 Stunden sind sämtliche Körperfunktionen ausgefallen.“
Tobias Kuhnlein
Im Krankenhaus muss die junge Frau in ein künstliches Koma versetzt und das Baby per Notkaiserschnitt auf die Welt geholt werden.
Jetzt rollt Juliane in einem speziellen Krankenfahrstuhl in das Zimmer, die Pflegerin hat ihre Arbeit beendet. Florentin, fünf Jahre, möchte die Aufmerksamkeit seines Vaters, die zweijährige Laurena klettert auf den Schoß ihrer Mutter, kuschelt sich an sie. Vater Tobias ist immer auf der Hut, seine Frau darf sich keine Keime einfangen. Deswegen dürfen die Kinder keine Infekte haben, sie müssen sich vor einem Kontakt mit der Mutter immer gründlich die Hände waschen. Juliane wird über eine Magensonde ernährt, sie muss regelmäßig abgesaugt werden.
„Ich habe gewusst, dass viel auf uns zukommt, aber den Personalnotstand in der Pflege habe ich damals komplett unterschätzt – zumal auch bei genügend Pflegekräften noch 1000 andere Dinge hängen bleiben.“
Tobias Kuhnlein
Kleine Fortschritte
Das Sprechen fällt Juliane zwar noch schwer, aber sie kann mittlerweile gut kommunizieren. Auch ihre Unterarme und Hände kann sie wieder bewegen. Alles, was das Rückenmark betreffe, erklärt Tobias Kuhnlein, sei irreparabel, aber die Bereiche, die vom Gehirn gesteuert werden, könnten sich noch verbessern, hofft er. Es sind diese kleinen Fortschritte, über die sich die Familie freut. Vater Tobias überlegt und tüftelt, wie er seiner Frau den Alltag erleichtern kann.
„Es geht darum, dass Juliane so weit wie möglich ein eigenständiges Leben führen kann.“
Tobias Kuhnlein
Ein Baustein ist ein spezielles Smartphone. Juliane berührt die Anzeige ihres Handys, sie kann über eine bestimmte App Türen und Fenster öffnen und schließen. So gelangt sie in die Kinderzimmer oder ihr Arbeitszimmer. Das ehemalige Wohnzimmer wird zu Julianes Pflegebereich umgerüstet, hier ist auch ein Aufzug installiert, der noch in Betrieb geht. Überhaupt wird der Raum so ausgebaut, dass das Pflegebett und medizinische Geräte dort Platz finden. Tobias Kuhnlein zeigt auf eine Ecke unter dem Fenster. „Hier kommen eine Sitzbank und ein höhenverstellbarer Tisch hin, damit Juliane mit ihren Kindern spielen kann oder beim Abendessen dabei sein kann.“
Entlastung in der Pflege dringend gesucht
Tobias Kuhnlein zeigt uns auch ein Krankentransportfahrzeug, das er in Holland ersteigert hat. Der Bus muss gegen einen größeren ersetzt werden. Und all das ist nur ein kleiner Teil dessen, was es bei Kuhnleins zu tun gibt. Zwar hat die Familie Spenden und Förderungen erhalten und ist dafür sehr dankbar, dennoch bleibt ein immenser Betrag an der Familie hängen. Die monatlichen Kosten, die nicht über Versicherungen oder andere Stellen gedeckt werden, belaufen sich auf über 10.000 Euro. „ Die Krankheit hat unser Leben völlig aus der Bahn geworfen“, sagt Tobias Kuhnlein. Er versucht bei all der Belastung stabil zu bleiben. „Ich muss funktionieren, es ist nicht auszudenken, wenn ich ausfallen würde.“ Für eine Therapie, um sein eigenes Trauma zu behandeln, fehlt die Zeit. Juliane ist auf eine intensive Betreuung rund um die Uhr angewiesen. „Wir haben jeden Tag mit unmittelbaren, lebensbedrohlichen Situationen zu tun“, erklärt Vater Tobias. Ein Team aus Pflegekräften, Therapeuten, Logopäden, Haushilfen kümmert sich um Juliane, dennoch bleiben im Durchschnitt 70 Stunden in der Woche – alleine auf die Pflege bezogen – an ihm hängen. Hinzu kommen circa 40 Stunden, die er für Buchhaltung, Verwaltung oder Projektkoordination und Management aufbringen muss und das ist noch nicht alles. „Ich schlafe jeden Tag circa vier Stunden, aber das wird mir keiner glauben“, sagt er. Deswegen sucht die Familie dringend eine Pflegekraft, die die entsprechende Qualifikation mitbringt. „Es ist zwar kompliziert, aber lernbar, es sind immer die gleichen Abläufe“, sagt Tobias Kuhnlein.
Einen kleinen Lichtblick gibt es: Juliane wird im neuen Jahr in ihrem alten Beruf als Diplom-Verwaltungsfachwirtin wieder am Arbeitsleben teilnehmen. Am 01. Januar 2023 wird sie an ihrem alten Arbeitsplatz sein. Die Stadt Coburg hat die Stelle freigehalten. Was sie sich im Moment am sehnlichsten wünscht, ist eine Pflegekraft, auch damit Zeit für Florentin und Laurena übrigbleibt, zum Spielen, Toben oder Basteln – die ganz normalen Dinge eben.
„Ich schlafe jeden Tag circa vier Stunden, aber das wird mir keiner glauben“
Tobias Kuhnlein
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Spendenkonto für Familie Kuhnlein
Empfänger: Caritasverband für den Landkreis Kronach e.V.
IBAN: DE68 7719 0000 0007 1008 33
BIC: GENODEF1KU1
Bei der VR Bank Oberfranken Mitte eG
Verwendungszweck: Juliane Kuhnlein
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