Warum Menschen sich versichern
Interview mit Ugur Kolsuz, Leiter der Geschäftsstelle Coburg der HUK-Coburg
Versicherungen sind ein unverzichtbarer Teil unserer modernen Gesellschaft. Sie geben uns Sicherheit und Schutz in Zeiten, in denen wir sie am meisten brauchen – wenn wir verletzt, krank, schwach sind. Absolute Sicherheit aber gibt es nicht. Das Leben ist immer auch ein Risiko.
COBURGER: Jeder weiß, dass nichts sicher ist im Leben, kein Job, die Gesundheit nicht, die Partnerschaft, das Leben an sich, dennoch versuchen sich Menschen gegen viele Lebensrisiken abzusichern. Warum?
Ugur Kolsuz: Weil wir ein Sicherheitsbedürfnis haben und Risiken verringern wollen. Und das ist bei Jedem und Jeder anders. Für manche Menschen ist die Gesundheit das wichtigste Thema. Für andere sind es die Finanzen, die abzusichern sind. Wir haben so viele unterschiedliche Sicherheitsbedürfnisse wie Lebensentwürfe und Interessen. Eine Familie zu schützen oder sich selbst bedarf anderer Überlegungen. Und es gibt auch Grundrisiken, die das Leben und vor allem auch unsere moderne Gesellschaft mit sich bringen. Das Risiko, andere zu schädigen, den Job zu verlieren, ein Pflegefall zu werden. Für solche Fälle wünschen sich viele Menschen eine Absicherung. Absolute Sicherheit aber kann es natürlich nicht geben, aber eben eine Risikominimierung für den Fall des Falles.
COBURGER: Verkauft demnach eine Versicherung nur das Gefühl der Sicherheit?
Ugur Kolsuz: Nein, in der Werbung steht oft das Gefühl der Sicherheit im Vordergrund mit Bildern von einem glücklichen Leben, einem sorgenfreien Alter. Letztlich vermittelt eine Versicherung ja auch dieses Gefühl, das Gefühl, alles gemacht zu haben für den Fall der Fälle. Aber im Ernstfall hat eine Versicherung nichts mit Gefühlen zu tun, sondern mit der blanken Existenz. Eine nicht abgeschlossene Versicherung kann den Unterschied ausmachen zwischen einem Leben in Armut oder der Chance auf einen Neuanfang. Wir haben das erst 2021 gesehen bei der furchtbaren Katastrophe im Ahrtal. Viele Menschen hatten keine Elementarversicherung, die haben alles verloren und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mussten sehr belastende Gespräche führen. Das wollten wir als HUK ändern.
„Absolute Sicherheit aber kann es natürlich nicht geben, aber eben eine Risikominimierung für den Fall des Falles.“
Seit vergangenem Herbst bieten wir daher ein neue Wohngebäudeversicherung – wir bieten für alle einen Elementar-Schutz. Dafür haben wir zwei Varianten: Wir empfehlen eine umfassende Elementarschaden-Deckung mit einer marktüblichen Selbstbeteiligung von 500 Euro. Wenn der Kunde das nicht will, dann kriegt er einen Schutz für Elementarschäden mit einem Eigenbehalt von 100 000 Euro. Insgesamt kostet das den Kunden, gemessen an der Wohngebäude-Prämie, nur einen einstelligen Prozentsatz. Ohne diesen Existenz-Schutz werden wir unsere Wohngebäude-Versicherung zukünftig nicht mehr verkaufen. Darüber hinaus haben wir einen Hilfsfonds gegründet für Menschen in existentieller Not. Der Verein HUK hilft e.V. hat bereits viel helfen können.
COBURGER: Beispiel Ahrtal: Verändert sich durch solche Ereignisse das Sicherheitsempfinden?
Ugur Kolsuz: Ja, da kamen viele Anfragen rein gerade wegen Elementarversicherung. Auch Corona oder jetzt der Krieg in Osteuropa verändern das Empfinden. Das Sicherheitsbedürfnis der Menschen ist nicht statisch, sondern verändert sich wie die Gesellschaft. Das merken wir in der Beratung an vorderster Stelle. Zum einen wird die menschliche Komponente hierbei wichtiger. Wir benötigen neue Kompetenzen im psychologischen Bereich, weil die Bedrohungen, die Risiken immer existenzieller, immer massiver werden und wir oft für Menschen die erste Anlaufstelle sind. Und auch unsere Klientel verändert sich, junge Menschen haben ganz andere Sicherheitsbedürfnisse als früher. Dazu zählt zum Beispiel Nachhaltigkeit oder neue Mobilitätsformen. Und auch ältere Menschen denken neu über ihre Sicherheit nach, weil ihre Lebenserwartung viel höher ist als noch vor ein paar Jahrzehnten.
COBURGER: Wir leben in einer Wohlstandsgesellschaft. Auf der einen Seite ist das eine gute Nachricht. Die schlechte daran: Je mehr man hat, desto mehr kann man verlieren. Kann man deswegen sagen: Je mehr Wohlstand, desto mehr haben die Menschen auch Angst vor Unsicherheit, davor, alles wieder zu verlieren?
Ugur Kolsuz: Das würde ich so nicht sagen, der Bedarf an Sicherheit und damit die Angst vor Unsicherheit war und ist immer da. Und es gab schon immer Menschen mit großem Risikoempfinden und welche mit geringem. Das ist einfach sehr subjektiv. Natürlich wird in einer Wohlstandsgesellschaft mehr versichert, als wenn kein Wohlstand vorhanden wäre… Die Angst vor Unsicherheit, das Gefühl also, das hat sich meinem Empfinden nach aber nicht verändert.