Der Wirtschafsförderer des Landkreises Coburg im Gespräch
120.000 Einwohner, 8000 Unternehmen, niedrige Arbeitslosigkeit, Wohlstand: Coburg ist eine wirtschaftlich starke Region. Doch weltwirtschaftliche Turbulenzen und die Chancen und die Risiken der Digitalisierung machen auch vor der Region nicht halt. Was aus seiner Sicht in der Region Coburg getan werden muss, um ein starker Standort zu bleiben, darüber hat sich der COBURGER mit Martin Schmitz unterhalten, dem Leiter der Wirtschaftsförderung des Landkreises Coburg.
COBURGER: Herr Schmitz, Sie waren kürzlich freudestrahlend zu sehen, als die Coburger Werbeagentur Markatus den Mietvertrag für einen Teil des ehemaligen Goebel-Geländes in Rödental unterschrieben hat. Dort wird ja zudem ein digitales Gründerzentrum entstehen. Ist der Einzug der größten Werbeagentur der Region ein wichtiger Baustein zur Entwicklung des Geländes im Landkreis?
Martin Schmitz: Definitiv ja, das ist signalgebend, was da passiert. Markatus ist ja nicht nur eine moderne, digitalaffine Agentur, sondern hat auch eine andere Story zu erzählen. Denn mit dem Wechsel von Coburg nach Rödental werden auch digitale Kapazitäten vom zweiten Standort von Markatus in Berlin hier in die Region zurückkommen. Das ist ein starkes Signal: Wir sind hier eine wettbewerbsfähige Region, können mit Metropolen mithalten, Märkte auch von Coburg aus erobern.
COBURGER: In Rödental also entsteht ein digitales Gründerzentrum der Zukunft .Coburg.Digital GmbH, der Gesellschaft von Stadt und Landkreis Coburg und IHK in Sachen Digitalisierung in der Region. Zukunft .Coburg.Digital hat Räume auf dem ehemaligen Schlachthofgelände in Coburg, die ausgebaut werden sollen. Was ist der Unterschied und wie soll die Zusammenarbeit funktionieren?
Martin Schmitz: Das was Sie hier beschreiben, ist alles Zukunft .Coburg.Digital. Das digitale Gründerzentrum besteht aber aus zwei Standorten. Einer ist der Standort Schlachthof in Coburg. Dort haben wir als erstes Testareal den kleinen Coworking-Space. Er läuft super, da sind wir voll ausgelastet, das funktioniert. Wir werden dort auch wie geplant weiter expandieren. Die alte Kühlhalle soll ja dazu ertüchtigt werden. Und als zweiten Standort haben wir die zukünftige sogenannte digitale Manufaktur im Goebel-Gelände in Rödental, angelehnt an die frühere dortige Porzellanmanufaktur. Also während wir in Coburg sozusagen die „Laptopgründer“ ansprechen, sind es in Rödental „Producer“. Ich kann eben im Coburger Coworking-Space keinen Industrieroboter hinstellen, da fehlt der Platz, das soll in Rödental passieren. Dazu sind dort flexible Produktionsboxen geplant, die wir anbieten. Wenn dann Firmen hier aus der Region diese Produktionsboxen mieten, um Jungunternehmern, Gründern, Studierenden dort Equipment für ihre Ideen und Innovationen zur Verfügung zu stellen, dann haben wir schon viel erreicht. Außerdem wollen wir dort auch Übernachtungsmöglichkeiten schaffen, damit sich zum Beispiel einmal Teams aus verschiedenen Regionen hier treffen können, um länger an einem Projekt zu arbeiten. So wollen wir Coburg deutschlandweit als innovative, gründerfreundliche Region platzieren, als Scharnier zwischen dem Norden und dem Süden der Republik. Das ist der Anspruch.
COBURGER: Wie ist denn der Stand in Sachen Digitalisierung in der Region bei den Unternehmen, die Sie betreuen. Wie viele sehen Gefahren, welche Chancen?
Martin Schmitz: Ich habe da keine belastbaren Zahlen. Aber ich würde mir zutrauen zu sagen, dass nahezu 100% der Unternehmen die Digitalisierung als Chance sehen. Die oft berechtigte Euphorie darf uns aber nicht blind für die Risiken machen. Hier ist ja eine ganz wichtige Funktion der Zukunft .Coburg. Digital: Unternehmen aktiv begleiten, sie informieren, miteinander zusammenbringen, so dass alle voneinander lernen und dadurch nicht von Risiken überrascht werden, sondern die Digitalisierung für sich positiv gestalten.
COBURGER: Wo sehen Sie aktuell die größten Risiken für den Standort Coburg?
Martin Schmitz: Wenn wir uns angesichts des hohen Wohlstands und der vielen großen und erfolgreichen Firmen hier in der Region zurücklehnen und sagen, uns geht’s doch gut, dann ist das das größte Risiko. Wir hatten hier immer Unternehmer, immer Belegschaften mit einer hohen Identifikation zum Unternehmen und zur Region, Menschen mit viel Fleiß und Engagement. Ich habe das Gefühl, dass uns diese Tugenden allmählich verloren gehen. Da müssen wir dran arbeiten. Dazu kommt natürlich das Risiko von außen, der globale wirtschaftliche Strukturwandel. Da überholen sich viele Dinge, die Polstermöbelindustrie hat das schon durch, die Spielzeugindustrie auch. Ein digitales Gründerzentrum ist in solchen Phasen eine von vielen Möglichkeiten, da etwas dagegenzusetzen. Es muss unser Ziel bleiben, innovativer, schneller und damit besser als andere Regionen zu sein.
COBURGER: Um das voranzubringen, gibt es die Wirtschaftsförderungsgesellschaft vom Landkreis und die von der Stadt Coburg. Braucht es für eine Region mit gut 120 000 Einwohnern zwei Wirtschaftsförderungsgesellschaften?
Martin Schmitz: Ich sage nein, das braucht es nicht. Ich bin persönlich ein Verfechter einer gemeinsamen Wirtschaftsförderung. Das wissen alle, die mit mir zusammenarbeiten. Die Zukunft.Coburg.Digital GmbH sehe ich daher sozusagen auch als den „Vorhof “ einer regionalen Wirtschaftsförderung. Sie ist ja die erste wirklich institutionalisierte Organisation, bei der beide Gesellschafter sind. Auf dieser Basis sollten wir Vertrauen schaffen, kooperieren, und dann schauen, was daraus werden kann. Im Zuge so eines Kooperationsprozesses müssen wir noch mehr lernen, dass der Erfolg meines Nachbarn auch mein Erfolg ist. Es ist letztlich egal, ob Gründer im Coworking-Space in Coburg oder in Rödental sitzen. Das Entscheidende ist, dass wir sie erfolgreich begleiten, damit am Ende Wertschöpfung im gesamten Coburger Land geschaffen wird. Ich bin mir sicher, dass der gemeinsame Erfolg uns zusammenschweißt. Das gilt erst recht, wenn wir uns fragen, für wen wir Wirtschaftsförderung eigentlich betreiben. Selbstverständlich in erster Linie für die Unternehmen, aber dadurch natürlich vor allem für die Bürger, die hier arbeiten und leben. Und denen ist es egal, wo ein Unternehmen sein Zuhause hat. Die einzig trennende Linie bleibt die Gewerbesteuer, wo also zahlt das Unternehmen in die Gemeindekasse, da wird es dann schon manchmal problematischer.
COBURGER: Die Region wollte ja 5-G-Modellregion werden. Sie haben sich auch dafür stark gemacht. Jetzt ist es Amberg-Sulzbach geworden und nicht Coburg. Warum hat es nicht gereicht?
Martin Schmitz: Ich finde nicht, dass uns das so weh tut. 5G werden wir ja ohnehin im Interesse vieler Unternehmer in kleinräumigen Lösungen bei uns weiterverfolgen. Und mit süc//dacor haben wir einen Innovator, der da viel nach vorne bringt. Für interessanter und viel wichtiger halte ich dagegen den Vorschlag der IHK zu Coburg, über eine Sonderwirtschaftszone zu einer Modellregion zu werden: Also ein starker Innovationsraum mit weniger Bürokratie, mit speziellen Förderungen, mit neuen Steuermodellen. Wir merken ja, dass die fetten Jahre vorbei sind. Daher müssen wir neue Wege finden, unseren Wohlstand zu sichern. Die Wirtschaftsförderung im Landkreis ist bereit, die neuen Innovationspfade zu beschreiten und die durch den Wohlstand bereits zu oft verkrusteten Strukturen aufzubrechen.
INTERVIEW
Die Fragen stellte Wolfram Hegen. Im COBURGER Ausgabe 35 im Oktober unterhalten wir uns mit Stephan Horn, dem Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft der Stadt Coburg.