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Wie sehe ich die Welt? #38

Wie sehe ich die Welt?

„Perspektive – wie sehe ich die Welt?“ wollte der COBURGER von drei Coburger Personen des öffentlichen Lebens wissen. Und zwar nicht aus heutiger Sicht aus die Zukunft, sondern aus dem Jahr 2025 rückblickend auf das Hier und Jetzt in Coburg. Drei Sichtweisen, drei ganz unterschiedliche Perspektiven.

Andreas Leopold Schadt – Der schwere Blick zurück …

… auf eine Zeit, in der fast die komplette Gesellschaft weltweit stillstand. Alles lief auf Anschlag, pulsierte, überall brodelte es, plötzlich fuhren fast alle Gewerke auf ihr Minimum. Einzelhandel und Gastronomie waren wochenlang geschlossen. Theater und Kinos wurden für Publikumsverkehr verboten.

Kaum zu glauben, dass es nun geschafft ist, vorbei ist es aber leider noch lange nicht. In relativ kurzer Zeit hatten die Geschäfte peu à peu wieder geöffnet. Soziale Kontakte waren wieder möglich, allerdings noch lange mit Einschränkungen. Größere gesellschaftliche Ereignisse konnten erst ein Jahr später wieder aufgenommen werden. Vor allem Kunst, Kultur, Gastronomie und Sport hatten lange darunter zu leiden. Harte Zeiten für viele.

Und doch hat sich die Menschheit auf wesentliche Dinge reduziert. Es wird viel umweltbewusster gehandelt. Inlandsflüge sind auf ein Minimum reduziert, da vor allem geschäftlich mittlerweile viel mehr über Telefonkonferenzen und Videotelefonie verhandelt wird.

Doch das Umdenken von höher, weiter, schneller auf eine Verlangsamung und ein bewusster-werden hat nur in Teilen funktioniert. Die Menschen sind nicht in der Lage, die Kontrolle aus der Hand zu geben. Es macht ihnen Angst, nicht zu wissen was kommt. Es fällt ihnen schwer, die Dinge so zu akzeptieren, wie sie von der Natur aus vorgegeben werden.

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Christian Seltmann – Ich war damals 10 Jahre alt …

… Ich war in der 4. Auf der Pesta. Wir hatten Schule zu Hause. Die Lehrerin war zu Hause und wir auch und wir haben jeden Tag ganz viele Hausaufgaben gemacht.

Am Anfang war das schwer, weil wir sonst immer in der Klasse gelernt haben. Aber es ging! Ich bin morgens aufgestanden, habe meine Freundin angerufen und wir haben gequatscht. Genau wie in der Schule auch. Und dann haben wir losgelegt. Bis mittags.

Zwischendurch habe ich mal Papa oder Mama was gefragt. Aber eigentlich habe ich das alles alleine hingekriegt. Das hat mir später irre geholfen. Ich kann mich super konzentrieren. Für Stunden alleine zu sein, Berge von Stoff büffeln. Kein Problem.

Außerdem hat Papa gesagt: „Jetzt ist Corona, jetzt dürfen wir nicht raus. Vielleicht ist irgendwann was anderes und das Internet ist mal wochenlang auch weg. Dann können wir nix bei Wiki nachgucken. Kein Netflix gucken. Nehmen wir Bücher.“ Also haben wir im Atlas nachgeguckt, ich habe für Erdkunde Leute angerufen. Dadurch habe ich gelernt, wie man Sachen erfährt. Und wir haben gelesen, und gekocht, und gesungen, gebastelt. Alles sowas.

Außerdem haben wir jeden Tag Sport gemacht. Mit meinem kleinen Bruder. Im Hofgarten.

Und ich hab mit Oma und Opa telefoniert. Ich habe gemerkt, wie wichtig es ist, dass wir miteinander reden. Und ich habe sie vermisst. Ich habe gemerkt, wie sehr ich alle Leute vermisse. Vorher war das alles selbstverständlich: Die Schule, die Klasse, die Freundinnen, Oma und Opa. Nach Corona nicht. Da wusste ich, was mir wichtig ist.

Wir haben einfach zusammengehalten und gearbeitet. Und auch wenn es später mal schwer wurde. Ich wusste immer: Du hast Corona überstanden, dann überstehst du das auch. Corona hat mich stark gemacht.

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Sig Simon – Es ist jetzt …

… Frühjahr 2025. Und fast schon wieder zu warm. Wir sitzen in einem Café am Marktplatz. Eine Touristengruppe aus Norddeutschland lässt sich vom Albert aus die Coburger Erker erklären. Die Stadt ist leiser geworden, nicht stiller. Sie brummt nicht mehr, sie summt.

Auch wir haben gelernt, mit dem Virus zu leben. Manches, das uns in den Wahlkampfzeiten Anfang 2020 noch existenziell wichtig erschien, ist schon fast in Vergessenheit geraten, z. B. dieses Wiehiessesnoch hinter dem Güterbahnhof oder die 4-spurige Einfahrtschneise.

Dafür wächst die Healthy World mit ihrem hochmodernen Quarantänedorf auf dem ehemaligen BGS-Gelände jetzt schneller als erwartet. Am Theater wird gebaut. Nicht nur High-End, auch grundsolide. Einige Coburger Baubetriebe und andere haben so „dank“ der Einschränkungen der beliebigen Freizügigkeit auch wieder vor Ort in Lohn und Brot gefunden. Und sie zeigen, was sie draufhaben.

Das Happy-Distance-Freilufttheater im Veilchental hat regen Zulauf. Mit dem Freibad ist es wie überall, aber das kam nach dem siebten Dürrejahr in Folge für niemanden unerwartet. Ein kleines Wunder: Fast alle Bäume im Horst-Jürgen-Schunk-Park (unter dem früheren Bismarckturm) haben überlebt und bei wolkigem Wetter trifft man dort bisweilen sogar seinen Gründer mit der Kamera.

„Haben wir noch mal Glück gehabt?“ fragt dein Blick. Und dann sagst du: „Ich riech fei die Bratwürscht bis hierher.“ Ein grüßendes Murmeltier läuft genau jetzt durch den unteren Bildrand und in der Spit macht jemand so was wie Musik.

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